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Ein bewegtes Leben – Interview mit Gerald Dunkl

Gerald Dunkl hat einen großen Teil seiner Lebenszeit den Menschen in fortgeschrittenem Alter gewidmet: Als Gerontopsychologe begleitete er ältere Menschen mit Gesprächstherapien durch den Alltag. Nebenbei unterstützte er ehrenamtlich einige Projekte, die nichts für schwache Nerven waren. In einem Interview erzählt er uns über sein bewegtes Leben. Gerald Dunkl wird aber auch nach seinem Ableben etwas bewegen – er hat den Entwicklungshilfeklub mit einem Legat bedacht.

Gerald, erzähl uns ein wenig über deinen Werdegang…

Ich bin Jahrgang 1959 und ein „waschechter“ Wiener mit einer böhmischen Großmutter. Ich war ein Einzelkind und habe Psychologie an der Uni Wien studiert, 1985 promoviert. Ich habe meines Wissens im deutschsprachigen Raum die zweite Doktorarbeit über Gerontopsychologie, also die Psychologie des Alters geschrieben. Ab den 1990er Jahren war ich im Kuratorium Wiener Pensionisten-Wohnhäuser angestellt.

Es ist sehr spannend, dass du Gerontopsychologe bist. Wie kann man sich diesen Beruf vorstellen?

Als Gerontopsychologe betreut man alte Menschen. Diese sind oft von Depressionen, Eingewöhnungsproblemen im Pensionisten-Wohnhaus, aber auch von Demenzen  betroffen. Das war immer ein zentrales Aufgaben-Gebiet meiner Tätigkeit. 2019 hatte ich eine schwere Erkrankung, gefolgt von einem langen Krankenstand. Das Ende meines Arbeitslebens habe ich mir anders vorgestellt. Abgesehen von meiner beruflichen Tätigkeit war ich ehrenamtlich bei Amnesty International als Koordinator gegen die Todesstrafe aktiv in der Osteuropa-Gruppe tätig und für die Bulgarien-Koordination von Amnesty International zuständig. Es war noch die Zeit des Kommunismus und sehr interessant.

Da hast du bestimmt auch das eine oder andere Geheimnis mitbekommen, das man so eher nicht erfährt…?

Bestimmt. Manches war unklar, vieles inoffiziell. Teilweise habe ich „schillernde“ Leute kennengelernt, sowohl unter den Oppositionellen und politisch Verfolgten, als auch unter offiziellen Vertretern Bulgariens, von denen man nicht immer sicher wusste, ob sie nicht Geheimdienstmitarbeiter waren. Ich habe auch eine Richterin kennengelernt, die zahlreiche Todesurteile gefällt hat.

Was geht da in einem vor, wenn man einer solchen Person wie dieser Richterin gegenübersteht?

Sie war – und das ist ja das Perfide bei diesen Leuten – eine ganz normale Person. Wenn man in der Menschenrechtsarbeit tätig ist, ist auch eine gewisse innere Distanz vonnöten. Ich vergleiche das mit der Situation eines Rechtsanwaltes, der einen Schwerverbrecher bei Gericht vertritt. Der kann auch nicht seinen Emotionen freien Lauf lassen, sondern muss besonnen bleiben.

Diese Fähigkeit war ja auch in meinem Beruf wichtig. Ich hatte in meinem Berufsleben Kontakt zu schätzungsweise 5.000 alten und sehr alten Menschen, die großteils unter enormem Leidensdruck standen. Viele hatten extreme Lebensgeschichten, andere hatten ihre Kinder – manchmal sogar schon mehrere – verloren, wieder andere litten selbst unter schweren Krankheiten oder lagen im Sterben. Als Psychologe ist man oft mit diesen dunklen Seiten des Lebens konfrontiert. Es ist einerseits wichtig, empathisch zu sein, ernsthaft Mitgefühl zu haben aber die Sachen nicht zu sehr an sich heranzulassen. Das ist wie ein Spagat auf einem Drahtseilakt.

Das ist bestimmt nicht einfach. Gibt es dafür irgendwelche Techniken?

(lacht): Nein. Learning by doing, würde ich sagen – egal in welchem Bereich.

Du warst ja permanent im Einsatz… Blieb da noch Freizeit übrig?

Ja. Beim Wandern habe ich immer Entspannung und Distanz gefunden. Ich war in diversen Wandergruppen unterwegs, und habe ein paar Reisen und Urlaube gemacht. Daraus habe ich Kraft geschöpft.

Welche Länder hast du bereist?

Es hat mich immer in den Orient gezogen; in den Nahen Osten. Ich habe gerne die Länder der arabischen, islamischen Welt bereist, fühlte mich dort fast wie zuhause. Jordanien war mein erstes außereuropäisches Land, dann Marokko. Der Iran hat mich ebenso fasziniert, aber auch Zentralasien, Turkmenistan, Usbekistan, die Arabische Halbinsel und Indien. Vor einigen Jahren war ich in Bhutan – das war ein großer Wunsch von mir. Es ist auch faszinierend zu sehen, wie sich die Länder verändern. In Indien zum Beispiel war ich zweimal, in einem Abstand von 30 Jahren. Anfangs sah man noch extrem viel Armut, keine PKWs usw. Da präsentiert sich heute – zumindest auf den ersten Blick – ein anderes Bild.

Du schilderst ein sehr bewegtes Leben…

Wenn ich das mit den tausenden Lebensgeschichten vergleiche, die ich gehört habe, ist mein Leben wahrscheinlich eher homogen und geordnet von statten gegangen.

Was bedeutet für dich Lebensqualität?

Lebensqualität hat für mich immer ausgemacht, eine sinnvolle Tätigkeit zu haben. Aber auch das Leben mit der Natur und mit Menschen, die ähnliche Interessen hatten oder haben wie ich. Früher habe ich viel geschrieben, man kann sagen, ich war Hobbyschriftsteller. Aufgrund meiner Krankheit geht das nicht mehr so gut. Ich habe zwar viel Material, das ich, auf gut Wienerisch gesagt, „verwurschten“ möchte, aber dazu fehlt mir die Energie.

Du hast mit deinem Beruf vielen Menschen geholfen und bist dann selbst schwer erkrankt . Denkt man sich da nicht, dass ist irgendwie unfair, warum passiert mir das?

Mit solchen und ähnlichen Fragen werde ich immer wieder konfrontiert. Bei mir war das Hadern mit dem Schicksal aber nie ein wesentliches Thema. Als ich im Sommer 2019 auf der Intensivstation aufgewacht bin, war ich beidseitig gelähmt, konnte weder sprechen noch schlucken. Ich habe alles doppelt gesehen und es war nicht sicher, ob sich meine Situation bessern wird. Aber es war immer der Gedanke präsent, es ist eben so und ich möchte jeweils von der aktuellen Situation ausgehen und darauf achten, das Beste daraus zu machen. Ich habe auch stets bei den Therapien mitgemacht. Die Therapeuten meinten, dass es eine Stärke von mir war, auch bei unangenehmen Übungen mitzumachen und mich anzustrengen. Das war mir immer wichtig. Natürlich wäre es oft angenehmer gewesen, etwas nicht zu tun, aber das ist ja mit vielen Dingen im Leben so.

Wann hast du zum ersten Mal vom Entwicklungshilfeklub gehört?

Das weiß ich ehrlich gesagt nicht mehr. In der Zeit wo ich bei Amnesty und in der Friedensbewegung war, habe ich mich auch für soziale und entwicklungspolitische Organisationen interessiert und zu einigen Kontakt aufgenommen. In dieser Zeit bin ich auch auf den Klub gestoßen, das muss Anfang der 80er Jahre gewesen sein. Entwicklungszusammenarbeit hat mich von Anfang an interessiert. Der Klub war mir immer sehr sympathisch, vor allem weil die Projekte für mich sehr viel Sinn ergeben, konstruktiv und auch überschaubar sind.

Ist das mit ein Grund, weshalb du den Klub mit einem Legat bedacht hast?

Natürlich auch. Aber auch, da meine letzte lebende Angehörige – meine Mutter – vor sieben Jahren verstorben ist. Dann stellte sich die Frage der Hinterlassenschaft und ich habe mich damals schon entschieden, zwei Organisationen auszusuchen. Der Klub ist also mit 50 Prozent bei meiner Erbschaft bedacht. Das wird jetzt keine Riesen-Summe sein, aber es ist ein bisschen was. Wenn damit Angestellte und Büros bezahlt werden, ist das auch absolut in Ordnung, von alleine läuft die Arbeit ja nicht. Wichtig ist, dass der Klub unterstützt wird, denn er ist unterstützenswert.

Jeder Euro zählt und kommt in gute Hände. Wir sind sehr dankbar, dass du dich dazu entschlossen hast, den Klub mit einem Legat zu bedenken und uns von deinem bewegten Leben erzählt hast. Vielen Dank!

Gerald Dunkl

geboren 1959 in Wien
Studium der Psychologie und Humanbiologie an der Universität Wien.
1985 Promotion

Berufsleben: Großteil in der Gerontologie im Bereich der Altenbetreuung im Kuratorium Wiener Pensionisten-Wohnhäuser, Pflegeheim Lainz, Freier Mitarbeiter beim Österreichischen Zentrum für Altersfragen

Publikationen:

  • „verHEERend – Braucht Österreich eine Armee? (1991)
  • „Stammtischphilosophen“ (1998)
  • „Neues Leben“ (2010)
  • außerdem ein (heiteres) Krippenspiel im Wiener Dialekt (1998) und einige gerontopsychologische Fachartikel
  • Gedichte auf www.aphorismen.de

Das Interview wurde von unserer Ehrenamtlichen Vera Bauer geführt.

Was ist ein Legat?

Von einem Legat (Vermächtnis) spricht man, wenn jemand Dinge oder einen bestimmten Geldbetrag aus einer Verlassenschaft erhalten soll. Ein Vermächtnis kann in einem Testament festgehalten werden. Will man neben Angehörigen noch andere Menschen oder eine Organisation bedenken, ist ein Legat eine gute Möglichkeit.

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Wenn Sie sich für die Möglichkeit interessieren, den Entwicklungshilfeklub in Ihrem Testament zu bedenken, steht Ihnen unsere Geschäftsführerin gerne persönlich für Fragen zur Verfügung:

DIin Brita Wilfling, MEM

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